Mitunter verlangen private Krankenversicherungen bzw. Erstattungsstellen sogenannte „medizinische“ Begründungen zu einer geplanten Versorgung. Daraus geht hervor, dass die medizinische Notwendigkeit der Versorgung in Frage gestellt, die von uns gestellte medizinische Indikation und die ausführlichmit unserem Patienten besprochene Planung in Zweifel gezogen wird.
In den meisten Fällen sind mehrere Lösungsansätze für ein zahnmedizinisches Problem denkbar, diese sind jedoch Bestandteil des ärztlichen Gesprächs zwischen Patient und Arzt und obliegen nicht der Begründungs- oder Rechtfertigungspflicht gegenüber einer Versicherung.
Es gehört nicht zu unseren Aufgaben, uns vor Versicherungen zu rechtfertigen oder diese auf unsere Kosten fortzubilden. Die Tatsache, dass wir Ihnen nach ausführlicher Beratung einen Heil- und Kostenplan erstellt und unterbreitet haben, dokumentiert, dass wir zu diesem Behandlungsvorschlag stehen, und ihn auch wirklich so meinen. Er trägt die eigentliche medizinische Begründung bereits in sich, sonst hätten wir ja die darin enthaltenen Maßnahmen nicht vorgeschlagen!
Es ist demnach unnötig, eine weitere medizinische Begründung auf irgendeinem Formular anzugeben. Der Kehrschluss wäre ja, dass wir im Normalfall (also bei Fehlen einer zusätzlichen medizinischen Begründung auf dem Plan) medizinisch nicht notwendige Maßnahmen durchführten und erst durch die Angabe von irgendwelchen Begründungen die ausnahmsweise Notwendigkeit dokumentierten.
Was Ihre Versicherung eigentlich meint, ist eine „finanzmathematische“ oder „kostenersparnisbedingte“ und keine medizinische Begründung die den einzigen Zweck verfolgt, die Kostenerstattung zu drücken und in keiner Weise dem medizinischen Wohlergehen des Versicherten dient.
Im privaten Behandlungsvertrag gelten die in der gesetzlichen Krankenversicherung vorgesehenen Einschränkungen der nur einen Mindeststandard garantierenden “ausreichenden, zweckmäßigen, das Maß des Notwendigen nicht überschreitenden“ Behandlung nicht. Es bleibt dem Patienten in Absprache mit dem fachlichen ermessenden Zahnarzt überlassen, für welche der möglichen therapeutischen Alternativen er sich entscheidet, um die notwendige Versorgung vorzunehmen. Beurteilungs- und Entscheidungsspielraum sind auch von dem in der Bundesrepublik erreichten Versorgungsstandard bestimmt (siehe Meurer, Kommentar zur Gebührenordnung für Zahnärzte, Anmerkung 5 zu § 1 GOZ).
Wir sind daher der Auffassung, dass auch eine sehr gute Versorgung – wie z. B. mit Inlays bzw. Implantaten – als notwendig im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 GOZ anzusehen ist. Diese Meinung wird z. B. vom AG München in seiner Entscheidung vom 25.01.1991 (Az.: 171 C 671/91) gestützt: „Medizinisch notwendig im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 GOZ sind aber auch aufwendige und anspruchsvolle Maßnahmen, wenn sie eine dauerhafte und wirksame Versorgung gewährleisten: … Der Patient hat … Anspruch auf eine optimale Behandlung.“ Nicht zutreffend ist, zahnmedizinisch notwendig sei lediglich der Zeitaufwand für eine durchschnittliche Qualität und Präzision der zahnärztlichen Leistung. Es ist also zulässig, dass sich der Patient bei mehreren möglichen Behandlungsmethoden für eine qualitativ bessere Versorgung entscheidet.
Zum gleichen Ergebnis kommt das AG Düsseldorf (U. v. 22.01.1992, Az.: 24 C 13116/90). Dementsprechend mussten die beklagten Versicherungsgesellschaften die angefallenen Kosten tarifgemäß erstatten, da eine medizinische Notwendigkeit der Heilbehandlung auch im Sinne des § 1 Abs. 2 der Musterbedingungen 1976 des Verbandes der privaten Krankenversicherung (MB/KK) vorlag.
Siehe hierzu auch folgende Stellen in der einschlägigen Literatur:
BGH-Urteil Az.: IV ZR 135/92 vom 23.06.1993
Irgendwelche Wirtschaftlichkeitsklauseln oder Wissenschaftlichkeitsklauseln in den Verträgen der Krankenversicherungen sind ungültig.
BGH-Urteil vom 29.05.1991
„Schränkt das Versicherungsunternehmen seine Leistungspflicht ein, ist es als Versicherer für die tatsächlichen Voraussetzungen einer solchen Leistungspflicht darlegungs- und beweispflichtig belastet.“ (Dies betrifft Anfragen wegen notwendiger Leistungen). Im Klartext bedeutet dies, dass nicht der Behandler oder der Patient die medizinische Notwendigkeit der Versorgung begründen muss, sondern die Versicherung darlegen und beweisen muss, dass diese Versorgung nicht notwendig ist, sofern sie diese Auffassung vertritt.
Fazit: Es obliegt ausschließlich den Vertragspartnern Patient und Zahnarzt;
- nach Aufklärung des Patienten über die indizierten verschiedenen individuellen Behandlungsmaßnahmen,
- nach Abklärung der individuellen Wünsche und Vorstellungen des Patienten,
- nach Abwägung der objektiven medizinischen Befunde und Erkenntnisse des Einzelfalles,
- unter Berücksichtigung anspruchsvollerer Maßnahmen, wenn sie eine dauerhafte und wirksame Versorgung gewährleisten,
die zahnärztlich notwendige medizinische Versorgung nach den Regeln der zahnärztlichen Kunst zu vereinbaren.
Da nach dem Urteil des BGH Karlsruhe vom 29.05.1991 bei Einschränkung der Leistungspflicht das Versicherungsunternehmen als Versicherer darlegungs- und beweispflichtig belastet ist, ist der Versicherte aufgefordert, bei Ablehnung entsprechende Schritte gegen seinen Versicherer einzuleiten.
Zu diesem leidigen Thema empfehlen wir Ihnen folgenden Musterbrief, den Sie an Ihre Private Krankenversicherung senden sollten:
„Sehr geehrte Damen und Herren,
Sie möchten gerne Auskünfte meines behandelnden Zahnarztes Dr. Frank sowie Situationsmodelle und Röntgenbilder übersandt haben, weil Sie „sich einen Überblick über den Sachverhalt machen“ wollen.
Zunächst möchte ich Ihnen mitteilen, dass ich meinen behandelnden Zahnarzt Dr. Frank für diesen konkreten Behandlungsfall von der Schweigepflicht entbinde.
Die medizinische Notwendigkeit der mir vorgeschlagenen Behandlung ergibt sich selbsterklärend aus dem Kostenplan von Dr. Frank vom ….
Medizinisch nicht notwendige Behandlungen müssten nämlich entweder als Wunschbehandlungen nach §1 GOZ oder als Leistungen auf Verlangen nach §2,3 GOZ gekennzeichnet werden. Dies ist bei der mir vorgeschlagenen Behandlung offensichtlich nicht der Fall.
Bitte teilen Sie mir mit, aus welchen objektiven Gründen Sie die medizinische Notwendigkeit der Behandlung bezweifeln und aus welchen Gründen Sie glauben, die Notwendigkeit besser beurteilen zu können, als der behandelnde Zahnarzt, der im Gegensatz zu Ihnen die Behandlung fachkundig geplant hat und diese auch verantworten muss.
Außerdem darf ich Sie bitten, mir die Kostenübernahme für die Beantwortung dieser meines Erachtens völlig überflüssige Anfrage zu bestätigen. Nach Auskunft meines Zahnarztes Dr. Frank belaufen sich diese auf ca 90 Euro.
Zur Identität des „Beratungszahnarztes“, den Sie einschalten wollen, darf ich Sie unter Hinweis auf das Urteil des BGH (AZIVZR418/02 vom 11.06.2003) mit Leitsatz „In der privaten Krankenversicherung hat der Versicherer auch solche Gutachten (einschließlich der Identität des Sachverständigen) bekannt zu geben, denen keine körperliche Untersuchung des Versicherten zugrunde liegt“ bitten, mir Namen und Adresse Ihres Beratungszahnarztes zu benennen.
Danach werde ich Ihrem Beratungszahnarzt umgehend die mir von meinem Zahnarzt zur Verfügung gestellten, von Ihnen gewünschten Behandlungsunterlagen zusenden. So sollte ein rascher Beginn der notwendigen Behandlung möglich sein.
Ferner darf ich Sie bitten, mir danach umgehend eine Kopie der Stellungnahme Ihres „Beratungszahnarztes“ zuzusenden.
Mit freundlichen Grüßen“